Die Leistungen der österreichweit agierenden Krankenkassen und auch die Tarife sind in allen Bundesländern gleich. Sollte man meinen. Die Wirklichkeit schaut leider ganz anders aus.
Harmonisierung bisher leeres Versprechen
Die Leistungen der Gebietskrankenkassen differierten von Bundesland zu Bundesland stark. In der zusammengelegten Österreichischen Gesundheitskasse sollte sich das rasch ändern. Das war eines der Argumente für die Fusionierung zur Österreichischen Gesundheitskasse ÖGK. Aber auch im dritten Jahr der lange diskutierten Fusionierung ist es mit der oft beschworenen „Leistungs- und Tarifharmonisierung“ noch nicht weit her, wie kürzlich die Kleine Zeitung mit Berufung auf den derzeitigen ÖGK-Obmann und Arbeitnehmervertreter Andreas Huss berichtete.
Fallwerte sehr unterschiedlich
Eine harte Messzahl dafür sind die so genannten Fallwerte (Betrag pro Behandlungsfall), die die ÖGK zuletzt für das Jahr 2020 veröffentlichte. Über alle Ärztegruppen hinweg beträgt er 70,10 Euro. Die Bundesländerwerte unterscheiden sich aber stark. Die variieren zwischen 82,76 und 61,83 Euro. Dabei liegt die Steiermark, wie in den meisten anderen Bereichen auch, abgeschlagen am letzten Platz. Unterschied zum Spitzenreiter: fast 21 Euro oder gut 25 Prozent. Auch zum Zweiten ist die Differenz groß, sie beträgt immerhin an die 12 Euro oder knapp 12 Prozent.
Wie ist das zu erklären? Offenbar gar nicht. Einen Erklärungsversuch würden die Unterschiede in der Kaufkraft liefern können. Den so genannten Kauf kraftindex pro Einwohner hat die GfK (Gesellschaft für Konsumforschung) nach Bundesländern und Bezirken zuletzt für das Jahr 2021 erhoben. „Die Kaufkraft misst das nominal verfügbare Nettoeinkommen der Bevölkerung inklusive staatlicher Leistungen“, erklärt die GfK-Studie. Nimmt man den Österreichschnitt mit 100 Prozent an, liegt die Steiermark darunter, allerdings nur einen Prozentpunkt und nicht zwölf, wie der Kassenfallwert. Ein Blick auf die regionalen Unterschiede in der privaten Wirtschafts- bzw. Kaufkraft zeigt auch, dass Bundesländer mit einigermaßen hohen Kassenfallwerten eine sehr niedrige regionale Kaufkraft ausweisen und natürlich umgekehrt Bundesländer mit eher geringen Fallwerten eine höhere Kaufkraft besitzen. Es gibt also keinen systematischen und logischen Zusammenhang zwischen dem, was sich die Menschen leisten können und was die ÖGK leistet. Es gibt zwar Aussagen aus der ÖGK, dass die Harmonisierung bis Jahresende 2022 geschafft werden soll, obwohl laut Huss derzeit 20 Prozent der medizinischen Leistungen nicht in allen Bundesländern zur Verfügung stünden. Um im gleichen Atemzug darauf hinzuweisen, dass die ÖGK gar nicht die Mittel habe, um die Leistungs- und Tarif harmonisierung tatsächlich umzusetzen. Die Österreichische Ärztekammer hat einen österreichweiten Leistungskatalog längst entwickelt und der ÖGK auch übergeben. Öffentlich wird aber wenig darüber gesprochen, was ein Hinweis darauf sein könnte, dass seine Umsetzung noch lange nicht Wirklichkeit werden kann. Außer natürlich in der ÖGK-eigenen Berichterstattung: „ÖGK hat Fusion gut abgeschlossen“ heißt es in einer offiziellen ÖGK-Meldung vom Juli 2022. „Von Harmonie keine Spur“ schrieb dagegen die Kleine Zeitung ebenfalls im Sommer dieses Jahres. Was der tatsächlichen Sachlage wohl weit eher entspricht.
Einheitlichen Leistungskatalog übergeben
Der steirische Niedergelassenen-Obmann und Ärztekammer-Vizepräsident Dietmar Bayer hat dazu einen pragmatischen Vorschlag gemacht: „Wir haben der Österreichischen Gesundheitskasse einen einheitlichen Leistungskatalog übergeben. Darin steht, was die Ärzte als sinnvoll erachten, welche Leistungen in ganz Österreich erbracht werden sollen. Aus dem heraus ist die Österreichische Gesundheitskasse eingeladen, die Leistungen zu übernehmen, die sie ihren Versicherten anbieten möchte. Der Rest wäre dann im kassenfreien Raum, die der Patient beim Kassenarzt privat bezahlen muss“, sagte er im Zeitungsinterview. Wobei zu ergänzen ist, dass die fehlende Harmonisierung nicht nur den unmittelbaren ärztlichen Bereich betrifft.
Gilt das Motto „Steiermark last“?
Im Zuge der Medienberichterstattung über enorme Zahlungsschwierigkeiten einer steirischen Rettungsorganisation wurde bekannt, dass auch die Sätze für Krankentransportfahrten in der Steiermark besonders niedrig sind. „Steiermark last“ kann man in Abwandlung des bekannten Slogans „America first“ sagen.
aus dem AERZTE Steiermark 09/2022